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Frakturschrift

Von Tradition zu Tabuisierung und zurück

©Bayrischer Rundfunk

Entwicklung der Frakturschrift ©Constantin Politzer

©Cypress Hill

Einst war die Frakturschrift ein Symbol für Kultur und Identität im deutschsprachigen Raum, doch die Assoziation mit dem Nationalsozialismus hat ihr Ansehen stark beschädigt. In einer Zeit, in der Design und Typografie immer freier und kreativer werden, stellt sich die Frage, ob die Frakturschrift trotz ihrer problematischen Vergangenheit eine Renaissance erleben kann?

„Die gebrochenen Schriften sind bisher oft nicht nur ungenau als Frakturschriften, sondern nicht selten auch als deutsche Schriften bezeichnet worden. Keiner der beiden Ausdrücke ist treffend.“

Jan Tschichold, deutscher Gestalter

Geschichte der Frakturschrift

Oft wird die Frakturschrift fälschlicherweise als deutsche Schrift bezeichnet. Diese hat ihre Anfänge in einer Zeit, in der das Deutschland von heute noch weit entfernt war. Der Begriff „Fraktur“ leitet sich vom lateinischen Wort für „Bruch“ ab und bezeichnet die gebrochenen Formen der Buchstaben, die aus der Antike stammen. Die erste gotische Schrift entstand in Nordfrankreich und basierte auf der sogenannten Unzialis und der karolingischen Minuskel.

Johannes Gutenberg verwendete die Frakturschrift in seiner berühmten 42-zeiligen Bibel von 1455, was zur Verbreitung dieser Schriftart beitrug. Um 1470 entstand die Schwabacher, eine weitere gebrochene Schrift, die von Martin Luther in seiner Bibelübersetzung verwendet wurde und zur Entwicklung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache beitrug.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden die meisten Texte in Fraktur gesetzt. Da deutsche Schriftgießereien und Druckereien eine herausragende Stellung einnahmen, wurde die Fraktur oft als „deutsche Schrift“ bezeichnet. Im Sinne einer in Deutschland entwickelten und vorwiegend für deutsche Texte verwendeten Schrift können jedoch nur die Schwabacher und die Dürer-Fraktur bezeichnet werden, eine Frakturschrift, die um 1500 in Augsburg im Auftrag Kaiser Maximilians I von Albrecht Dürer verwendet wurde. In diesem Zusammenhang ist jedoch daran zu erinnern, dass der Begriff „Deutschland“ lange vor der Entstehung des Nationalstaates einen Kultur- und Sprachraum bezeichnet hat. In dieser früheren Bedeutung umfasste der Begriff „Deutschland“ oder „deutsch- sprachiger Raum“ seit dem 15. Jahrhundert zeitweilig auch Teile Böhmens, Frankreichs, Polens, der Niederlande, Österreich-Ungarns und der Schweiz. Erst 1871 wurde aus einer Gruppe unabhängiger Staaten das Deutsche Reich unter dem König von Preußen gegründet, das bis 1945 bestand.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten galt moderne Kunst als entartet, wovon alle Bereiche des grafischen Gewerbes betroffen waren. Die gebrochenen Schriften waren dazu bestimmt, der Verbreitung der modernen Antiqua ein Ende zu setzen. 1933 erklärten die National- sozialisten die Fraktur – die zu den gebrochenen Schriften gehört – zu ihrer bevorzugten Schrift. In der NS-Werbung wurden zwar immer noch Antiqua-Schriften genutzt, doch setzten sich die gebrochenen Schriften stärker durch. Es entstanden Schriften, wie die Tannenberg von Erich Meyer, die durch ihre Akzentuierung das deutsche Wesen und damit den vorherrschenden Größenwahn unterstrich. Mit einprägsamen Lettern sollten dem Volk die herrschenden Parolen eingehämmert werden.

Frakturschrift während der NS-Zeit

Doch 1941 wendete sich das Blatt: Auf Befehl von Adolf Hitler wurde beschlossen, dass es falsch sei, die so genannte Frakturschrift als deutsche Schrift anzusehen. Die Fraktur wurde als „Schwabacher Judenletter“ bezeichnet und mit negativen Assoziationen belegt, um die Ablehnung der Schrift zu rechtfertigen. Als Grund für diesen Sinneswandel wurden Leseschwierigkeiten in den besetzten Gebieten angesehen.

Aus dieser Zeit haben die gebrochenen Schriften einen Schaden erlitten, von dem sie sich bis jetzt noch nicht erholt haben. Der schlechte Ruf haftet ihnen an, so dass Fraktur heute nur noch selten verwendet wird. Zu oft wird beim Betrachten einer gebrochenen Schrift unwillkürlich an das Dritte Reich assoziiert.

Aufgrund dieser negativen Assoziationen finden gebrochene Schriftzüge im zeitgenössischen Design eher selten Verwendung. Trotz ihres Image wird sie in Musik- und Jugendkulturen wie Metal, Punk oder Gothic verwendet, wo sie bewusst eingesetzt wird, um mit ihren negativen Assoziationen aufzufallen oder zu provozieren. Die Frakturschrift wird auch von Künstler:innen außerhalb der Metal-, Punk- oder Gothic-Subkultur verwendet, nicht als Provokation, sondern als überlegtes Stilmittel. US-Rapper wie Snoop Dogg und Bands wie Cypress Hill haben die Frakturschrift bereits in den 90er-Jahren für ihre Albumcover und Bandnamen verwendet.

Der Wandel einer Schriftart

Ihr Vorteil: Sie hat einen hohen Wiedererkennungswert, anders als etwa die Helvetica, oder andere groteske Schriftzüge. Aber auch der deutsche Rapper Casper und das Hip-Hop Duo Zugezogen Maskulin haben für ihre neuen Alben gebrochene Schriften verwendet. Beide gelten als explizit linke Künstler. Durch Gestaltungsentschei- dungen wie diese, holt sich die Öffentlichkeit so Symbole der Rechten wieder zurück.

Abgesehen von Albumcovers, erfreut sich die Frakturschrift auch in moderneren Designs durch ihre starken und aussagekräftigen Schriftarten immer mehr an Beliebtheit. Durch den verstärkten Einsatz von Frakturschriften in Designs, die in ihrer Aussage nicht mit rechtsextremen Ideologien in Verbindung gebracht werden können, kann man dem negativen Image der Frakturschriften in Zukunft entgegenwirken. Eine Gestaltungsmöglichkeit besteht darin, die Frakturschrift mit modernen, klaren Schriften zu kombinieren, um einen spannenden Kontrast zu schaffen. Kombinationen wie diese können die Tradition der Frakturschrift unterstreichen und gleichzeitig ein Gefühl von Modernität vermitteln.

Die Wahl der Farben spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Farbkombinationen wie Rot, Schwarz und Weiß sind tendenziell zu vermeiden, da diese eher als rechtslastige Gestaltungslogik interpretiert werden, vor allem in Verbindung mit gebrochenen Schriften.

Die Frakturschrift im modernen Design
Um negative Assoziationen zu vermeiden, ist es vorteilhaft, wenn Designer:innen auf Farbkombinationen setzen, die nicht mit rechtsextremen Ideologien in Verbindung gebracht werden. Weiche, harmonische Farben wie Pastell- oder Erdtöne können die Frakturschrift positiv erscheinen lassen.

Wichtig ist vor allem die Verwendung der Frakturschrift in Gestaltungen, die eine klare, positive Botschaft vermitteln und nicht mit der dunklen Geschichte des Dritten Reiches in Verbindung gebracht werden können. Wenn Designer:innen die Frakturschrift in einem kreativen, respektvollen und kontextuell angemessenen Rahmen verwenden, kann aktiv dazu beigetragen werden, das negative Image der Schriftart zu überwinden.

Die Neupositionierung der Frakturschrift in der modernen Designlandschaft erfordert sowohl gestalterische als auch gesellschaftliche Veränderungen. Es zeigt sich, dass die Frakturschrift, mit Bedacht eingesetzt, durchaus das Potenzial hat, sich von ihrem belasteten Erbe zu lösen und als faszinierendes Gestaltungselement in modernen Designansätzen wiederentdeckt zu werden.

Constantin Politzer

Autor & Designer

dd241506@fhstp.ac.at

Veränderung. Change. Wandel. Vergangenheit. Zukunft. Veränderung. Change. Wandel. Vergangenheit. Zukunft. Veränderung. Change. Wandel. Vergangenheit. Zukunft. Veränderung. Change. Wandel. Vergangenheit. Zukunft. Veränderung. Change. Wandel. Vergangenheit. Zukunft. 

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